Politische Kommunikation in Südafrika und Deutschland

Politische Kommunikation in Südafrika und Deutschland

Was politische Kommunikation in zwei Staaten bedeutet, die für ihren Kontinent Orientierung geben, Maßstab und auch richtungweisend sind, erklären zwei ausgewiesenen Experten.  Christian Echle geht auf die südafrikanische Sicht ein und Jörg Max Fröhlich antwortet aus der Perspektive der politischen Kommunikation in Deutschland.

Christian, was versteht man in Südafrika unter politischer Kommunikation?

Christian Echle: Letztlich versteht man überall auf der Welt wahrscheinlich das gleich unter politischer Kommunikation: Die Inhalte, Ziele und Angebote der eigenen Partei dem Wähler gegenüber möglichst effektiv darzustellen. Das ist auch in Südafrika nicht anders. Allerdings unterscheiden sich die Instrumente und ein Stück weit auch die Philosophie. Zunächst einmal haben die meisten südafrikanischen Parteien eine sehr viel stärkere Wagenburg-Mentalität: Innerparteiliche Diskussionen über inhaltliche Ausrichtungen dringen kaum nach außen, und wenn ein führendes Parteimitglied in die Schusslinie der Medien gerät, kann es sich eigentlich immer auf die volle Rückendeckung der Partei verlassen – egal wie schwerwiegend die Vorwürfe sind. Das führt zwangsläufig zu weniger Transparenz, als wir das inzwischen in West-Europa gewohnt sind.

Und in Deutschland, Max?

Jörg Max Fröhlich: Ich sehe das ähnlich, wie Christian Echle. Bei uns in Deutschland ist politische Kommunikation in erster Linie die gesamte mediale Darstellung politischer Inhalte und Zielsetzungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist darüber hinaus die aktive themenspezifische Kommunikation der Vertreter der Politik mit den Zielgruppen aus Wirtschaft und Gesellschaft. Das gilt auch vice versa. Der initiierte Dialog von Verbänden und Interessengruppen mit Vertretern der Politik, um eigene Interessen zu positionieren, ist ebenfalls Bestandteil politischer Kommunikation.
Meiner Meinung nach, ist politische Kommunikation vor allem auch der innerparteiliche Diskurs mit dem Ziel einer inhaltlichen Meinungsbildung.

Und welche Instrumente sind in Deutschland am wirkungsvollsten, um die politische Botschaft zu verbreiten?

Jörg Max Fröhlich: Das ist ein breites Feld. Wir sollten da unterscheiden: Innerparteilich sind es die Parteitage auf allen Ebenen. Vom Kreisparteitag über den Bezirks-, Landes- bis hin zum Bundesparteitag. Da finden im Vorfeld jeweils die Diskussion in den einzelnen Gremien der Parteien statt. Regionalkonferenzen sind in wahlfreien Zeiten ein probates Instrument politischer Kommunikation. Sie erzeugen eine hohe Aufmerksamkeit. Diese wurden übrigens von Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Zeit als CDU-Generalsekretärin ins Leben gerufen. Gerade die Landes- und Bundesparteitage haben wegen des enormen medialen Interesses eine wichtige Aufgabe, die politischen Botschaften verständlich, professionell und nachvollziehbar zu kommunizieren.

Doch es geht auch um die Wähler und hier gilt die Grundregel: „It’s all about direct voter contact“. Canvassing und Hausbesuche sind als Instrumente politischer Kommunikation von erheblicher Bedeutung. Allerdings muss dabei die Kommunikation politischer Inhalte verständlich sein. Was seit einigen Jahren eine ganz neue Dimension ausmacht, ist der Siegeszug von Social Media. Die Entwicklung in diesem Bereich spricht Bände. In allen Altersgruppen werden facebook, twitter, LinkedIn, wer kennt wen, whatsapp genutzt. Dadurch kann gezielt eine Kommunikation mit vielen Menschen aufgebaut werden. Agenda-Setting, Agenda-Cutting und Agenda-Surfing kann schnell und breit erfolgen. In der politischen Kommunikation geht es nicht mehr ohne die intelligente Nutzung von Social Media.
Die Teilnahme an Talkrunden ist ein weiteres Instrument politischer Kommunikation. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in unserer Mediengesellschaft der Sympathie der Kandidatinnen und Kandidaten eine wichtige Rolle zukommt. Das sieht man auch im Social Web. Hier kann der Sympathiefaktor fast unmittelbar bestimmt werden.

Christian, ist das in Südafrika auch so?

Christian Echle: Ja, im Grunde sind Canvassing und Großveranstaltungen auch hier ganz klar die wichtigsten Instrumente. Persönlicher Kontakt ist aufgrund der vor allem in ländlichen Gebieten schwachen Infrastruktur die beste Möglichkeit, um Botschaften zu vermitteln. Daneben setzen die Parteien vor allem auf das Radio – in Südafrika immer noch das meist genutzte Medium – und Massen-SMS. Der Online-Bereich wird wichtiger, kann aber keinesfalls als wahlentscheidend bezeichnet werden. Die einzige Partei, die wirklich viele Ressourcen in diesen Bereich investiert, ist die offizielle Oppositionspartei Democratic Alliance. Was dort im Bereich YouTube-Videos, Facebook und vor allem Twitter gemacht wird, hätte auch für einige europäische Parteien noch Vorbild-Charakter.

Dazu habe ich noch eine Frage Christian: Wie kommen die Parteien in Südafrika denn in den Dialog mit den Wählern?

Christian Echle: Wie bereits gesagt, geht es in Südafrika besonders um die grundlegendste aller Dialogfunktionen – den persönlichen Kontakt. Für Chats, Twitter-Fragestunden und ähnliches fehlt entweder die Infrastruktur oder die Priorisierung innerhalb der Parteien. Zugleich muss man allerdings auch sagen, dass der Dialog insgesamt keinen so hohen Stellenwert besitzt.
Die Parteien werden in Südafrika eher als Kümmerer gesehen. Parteiprogramme entstehen ausschließlich durch den Input der entsprechenden Parteigremien, und die entsprechenden Lösungsvorschläge werden dann eher auf der Einbahnstraße kommuniziert. Gleichzeitig wächst die Zahl der Südafrikaner, die das Gefühl haben, dass sie und ihre Probleme nicht ausreichend gehört werden. Service Delivery Proteste werden immer häufiger und sind oft auch gewalttätig. Dieses Problem haben die politischen Akteure meiner Meinung nach noch nicht im vollen Umfang erkannt.

Und in Deutschland?

Jörg Max Fröhlich: Internet und Social Media kommt außerhalb des Wahlkampfes eine herausragende Bedeutung zu, weil so der permanente Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern praktiziert wird. Politische Themenforen oder Themenwochen sind natürlich attraktive Möglichkeiten in den Dialog mit allen Bürgerinnen und Bürgern einzutreten. Vor allem zeigen sie Transparenz und Offenheit und das ist eine wichtige Voraussetzung für jeden vernünftigen Dialog.  Allerdings beobachte ich, dass entgegen aller Unkenrufe auch die „Bürgersprechstunden“ der Politiker genutzt werden, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Das ist direkter, persönlicher Dialog.

Welche Dialogformate sind denn besonders wirkungsvoll?

Christian Echle: In Südafrika haben die Großkundgebungen schon einen besonderen Charme. Es geht wesentlich lebendiger zu als bei vergleichbaren Veranstaltungen in Deutschland, der Zusammenhalt innerhalb der Partei wird dadurch extrem gestärkt. Und die Parteien geben sich große Mühe mit der Organisation, organisieren Bustransporte aus allen Ecken einer Provinz und geben kostenlose Partei-T-Shirts aus, die in der Regel extrem beliebt sind. Aber auch hier muss man letztlich sagen, dass ein echter Dialog nicht zustande kommt.

Gilt das auch für Deutschland Max?

Jörg Max Fröhlich: Bedingt. In Deutschland sind Internet und Social Media allein wegen ihrer Permanenz und der Möglichkeit extrem viele Menschen gleichzeitig zu erreichen besonders wirkungsvoll. Die Aktualität und textliche Kürze sind hier entscheidend. Dabei ist wichtig, dass es eine intelligente Content-Strategie mit einer klaren Zieldefinition gibt. Natürlich müssen die Inhalte tagesaktuell sein. Das ist sehr wichtig.
Aus medialer Sicht haben Parteitage ebenfalls einen hohen Stellenwert. Allerdings haben diese mehr Informations- als Dialogcharakter. Zu Zeiten von Wahlkämpfen haben Wahlauftakt- und Wahlabschlussveranstaltungen eine wichtige Dialogfunktion, insofern als damit Diskussionen angestoßen werden. Diese Diskussionen verlängern sich dann ins Social Web und so entsteht der Dialog. Das gleiche gilt für die Straßenaktionen (Canvassing) und die Hausbesuche. Meiner Erfahrung nach, sollten Politiker themenspezifische Namensartikel mehr nutzen. Sie stoßen an und laden zur Diskussion und damit zum Dialog ein.

Vielen Dank, dass Ihr Euch für das Interview Zeit genommen habt.


Zu den Interview-Partnern:

Christian Echle leitet das sub-Sahara Medienprogramm der KAS in Südafrika

Christian Echle leitet das sub-Sahara Medienprogramm der KAS in Südafrika

Christian Echle, 1981 in Pforzheim geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Soziologie in Freiburg, Göteborg und München. Er ist ist Altstipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Von 2007 bis 2012 war er in der Online-Redaktion der KAS tätig. Seit November 2012 leitet er das Medienprogramm Subsahara-Afrika der Stiftung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind soziale Medien und politische Kommunikation.

 

 

Jörg Max Fröhlich ist erfolgreicher Kommunikationsberater

Jörg Max Fröhlich ist erfolgreicher Kommunikationsberater

Jörg Max Fröhlich, studierte Philosophie und Rechtswissenschaften. Er arbeitete unter Ministerpräsident Lothar Späth als Leiter der Abteilung Grundsatz und Politik und Pressesprecher der CDU Baden-Württemberg, war von 1989 bis 1991 Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thailand und arbeitete anschließend als Kommunikationsberater einer Versicherungsgruppe. Er ist Rhetorik- und Medientrainer, Wahlkampfcoach, Politikberater und trainiert erfolgreich Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.